design a website

Was ist Legasthenie?

Vortrag zu den Themen Legasthenie,
Lese-Rechtschreibschwäche (LRS) und Dyskalkulie von Dr. Astrid Kopp-Duller.
Gesprochen von Brigitte Karner & Peter Simonischek. 

Genetische Ursachen

Legasthenie und Dyskalkulie sind im Menschen vorhandene genbedingte, durch Vererbung weitergegebene Veranlagungen. Durch gengesteuerte Entwicklungsprozesse im Gehirn werden die Sinneswahrnehmungen beeinflusst. Dies haben wissenschaftliche Forschungen bewiesen.


„Legasthene und dyskalkule Menschen haben eine besondere Informationsverarbeitung und dadurch bedingt eine besondere Lernfähigkeit, welche an die pädagogisch-didaktische Interventionsebene hohe Anforderungen stellt.“


Dr. Astrid Kopp-Duller 2010

Pädagogische Definition


„Ein legasthener Mensch, bei guter oder durchschnittlicher Intelligenz, nimmt seine Umwelt differenziert anders wahr, seine Aufmerksamkeit lässt, wenn er auf Buchstaben oder Zahlen trifft, nach, da er sie durch seine differenzierten Teilleistungen anders empfindet als nicht legasthene Menschen. Dadurch ergeben sich Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens, Schreibens und Rechnens.“


 

Dr. Astrid Kopp-Duller 1995

Wie erkennt man Legasthenie / Dyskalkulie?

Grundsätzlich spricht man von einer Primärlegasthenie und/oder Primärdyskalkulie, wenn man Folgendes beobachten kann:


Eine zeitweise Unaufmerksamkeit des Kindes beim Schreiben, Lesen oder Rechnen, d.h., wenn es unmittelbar mit Buchstaben- und/oder Zahlensymbolen beschäftigt ist. – Differente Sinneswahrnehmungen, die nicht ausreichend für das Erlernen des Schreibens, Lesens und Rechnens geschärft sind. – Durch unscharfe Sinneswahrnehmungen und die daraus folgende Unaufmerksamkeit entstehen Wahrnehmungsfehler.

Wie erkennt man LRS / Rechenschwäche?

Grundsätzlich spricht man von einer Lese- und Rechtschreibschwäche und/oder Rechenschwäche, wenn man Folgendes beobachten kann:


Fehlerhäufungen beim Schreiben, Lesen oder Rechnen.

Eine Lese-Rechtschreib-Schwäche oder Rechenschwäche ist eine durch besondere Umstände bedingte und erworbene Problematik im Leben des Kindes, die multikausal sein kann.

Was ist zu tun?

Interventionen müssen bei legasthenen und dyskalkulen Kindern also in allen drei Bereichen, welche die Legasthenie/Dyskalkulie bei einem Kind verursachen, erfolgen! Die Förderung verlangt ein Training an der Aufmerksamkeit und ein Training der Schärfung der Sinneswahrnehmungen, die man für das Schreiben, Lesen oder Rechnen unbedingt benötigt, und ein Training an den Symptomen. 

Im Unterschied dazu genügt es bei einem LRS-Kind oder bei einem rechenschwachen Kind, verstärkt an der Symptomatik zu arbeiten, also verstärkt das Schreiben, Lesen und Rechnen zu üben, um Erfolge zu erzielen. Natürlich dürfen sowohl bei einem legasthenen/dyskalkulen Kind als auch bei einem Kind mit LRS eventuelle Sekundärproblematiken nicht außer Acht gelassen werden.

Die Förderung

Sollten sich bei einem Kind, das einen überaus intelligenten Eindruck macht, völlig unerwartet in der Schule Probleme beim Erlernen des Schreibens, Lesens oder Rechnens ergeben, so sollte man nicht zuwarten, unter dem Motto „Das wird sich schon von alleine geben“, sondern dem Kind, noch bevor sich Sekundärproblematiken dazugesellen, eine individuelle und gezielte und vor allem rechtzeitige Hilfestellung geben.

Die pädagogisch-didaktische Ebene:


In der Schule oder zuhause werden zuallererst Schwierigkeiten des Kindes beim Schreiben, Lesen und/oder Rechnen bemerkt. Es ist wichtig, dass Beobachtungen sowohl des Lehrers als auch der Eltern von der jeweiligen anderen Partei ernst genommen werden. Zu vermeiden ist, sogleich von Schwäche, Störung, Krankheit oder gar Behinderung zu sprechen. Der Lehrer sollte ein grundsätzliches Wissen über die Problematik haben und die Eltern aufklären können. Doch kann es passieren, dass eine Existenz der Legasthenie oder Dyskalkulie geleugnet wird, damit man nicht Interventionen setzen muss. Die Zahl derer, die sich den Gegebenheiten verschließen, wird aber zum Glück für die Betroffenen immer geringer. Das Kind ist auf die Reaktion der Umgebung, das nötige Verständnis und die Förderung angewiesen, es kann sich selbst nicht helfen. Kein Gesetz wird dies auch je ändern können, sondern nur die Aufklärung der Menschen, nicht nur der Pädagogen, dass diese Kinder einen anderen Zugang zu der Materie des Schreibens, Lesens und/oder Rechnens haben. Nicht alle Kinder haben in allen Bereichen Schwierigkeiten, manche nur in einem Bereich. Sie brauchen einfach mehr Zeit, um es zu erlernen. Lehrer können allerdings nur bedingt Kindern mit einer Primärlegasthenie/Primärdyskalkulie – davon spricht man, wenn legasthene/dyskalkule Kinder keine psychischen und physischen Probleme aufweisen – im Rahmen des Unterrichts zur Seite stehen! In manchen Fällen ist auch eine außerschulische Hilfe durch einen Spezialisten notwendig, damit der gewünschte Erfolg eintritt. Den meisten legasthenen/dyskalkulen Kindern kann alleine durch die gezielte individuelle Hilfe eines Legasthenie- oder Dyskalkulietrainers auf pädagogisch-didaktischer Ebene geholfen werden. Voraussetzung ist ein pädagogisches Testverfahren zur Feststellung und Kategorisierung der Legasthenie/ Dyskalkulie, denn jedes Kind hat eine individuelle Ausprägung und benötigt deshalb auch individuelle Hilfe.

Die psychologische und medizinische Ebene:


Werden die Probleme legasthener/dyskalkuler Kinder nicht rechtzeitig erkannt, so entsteht aus der Primärlegasthenie/Primärdyskalkulie eine Sekundärlegasthenie/ Sekundärdyskalkulie, bei der sich zu der Problematik tatsächlich Krankheitsbilder dazugesellen. Die Ursachen dafür sind sehr vielfältig: psychische und physische Ursachen, ständige Überforderung und Frustration, Sehschwäche, Schwerhörigkeit, Körperbehinderung, Sprachauffälligkeiten oder auch familiäre Ursachen, Scheidung oder Lerndefizite, nicht adäquate Unterrichtsmethoden, aber auch Minderbegabung. Psychosomatische oder sogar psychopathologische Auffälligkeiten können speziell die Folge von ungenügender Hilfestellung sein, dann werden Interventionen von Psychologen oder Medizinern notwendig. Keinesfalls sollte aber ein Kind mit einer Primärlegasthenie/-dyskalkulie psychologisch oder medizinisch behandelt werden, denn die Legasthenie/Dyskalkulie selbst ist keine Schwäche, Störung, Krankheit oder gar Behinderung. In erster Linie muss dem Kind durch eine gezielte pädagogisch-didaktische Förderung geholfen werden. Fachkundige Legasthenie- und Dyskalkulietrainer verfügen über das wissenschaftlich fundierte notwendige Wissen, um diesen Menschen individuell zu helfen.


Die AFS-Methode

Die AFS-Methode ist das Ergebnis qualitativer und quantitativer empirisch-pädagogischer Forschung.


Die multisensorische Methode, deren Entwicklung durch interdisziplinäre Zusammenarbeit ermöglicht worden ist, beruht auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen, dass eine Verbesserung der Schreib-, Lese- und/oder Rechenfertigkeit eines legasthenen/dyskalkulen Menschen alleine durch das Üben am Symptom nicht zielführend ist.

Deshalb muss in den Bereichen der Aufmerksamkeit (um der zeitweisen Unaufmerksamkeit beim Schreiben, Lesen und/oder Rechnen entgegenzuwirken) und weiters in den Funktionen oder Sinneswahrnehmungen (die geschärft werden müssen)



und im Symptombereich (um den Wahrnehmungs- und Rechtschreib-/Rechenfehlern entgegenzuwirken) eine gezielte Förderung stattfinden.


Die Methode ist als eine umfassende zu sehen, weil die Kombination von vorgeschriebenen Strukturen und die frei wählbaren Teile der Förderung es erlauben, auf die Probleme der Kinder völlig individuell einzugehen. Die Methode ist offen für Anregungen und Verbesserungen von außen, alle Komponenten sollen sich ergänzen und ineinanderwirken, sodass dem Kind die bestmögliche Hilfestellung gegeben wird.


A steht für Aufmerksamkeit

Die differente Aufmerksamkeit führt dazu, dass das legasthene/dyskalkule Kind im Symbolbereich nicht das leisten kann, was von ihm erwartet wird. Viele Fehler passieren, weil die Gedanken und das Handeln nicht im Einklang stehen. Dadurch entstehen sogenannte Wahrnehmungsfehler, die von Laien stets für z.B. Rechtschreibfehler gehalten werden. Das Zusammenführen der Gedanken und das gleichzeitige Handeln sind oberstes Ziel. Dies muss dem Betroffenen erst bewusst gemacht werden, damit er an diesem Problem arbeiten kann – ein intensives Gespräch darüber ist daher notwendig. Es kann nur der starke Wille des Betroffenen mithelfen, seine Gedanken besser unter Kontrolle zu bringen. Das Aufmerksamkeitstraining ist durch verschiedene Übungen positiv zu unterstützen. Wichtig ist es auch, öfter mit dem Kind über seine Probleme bezüglich der Aufmerksamkeit bei Symbolen zu diskutieren.

F steht für Funktionen

Die Funktionen, Sinneswahrnehmungen, auch Teilleistungen genannt, sind bei legasthenen/dyskalkulen Kindern different. Diese haben eine andere Wahrnehmung, sehr schnelle Gedankengänge, die sie am richtigen Schreiben, Lesen oder Rechnen hindern. Diese Kinder brauchen eine längere Zeit, um sich mit Symbolen problemlos auseinanderzusetzen, und sie müssen wesentlich vertiefender Wortbilder oder Rechenprozesse erlernen. Wichtig ist es zu wissen, welche Sinneswahrnehmungen different sind, denn es ist in keiner Weise so, dass alle Teilbereiche betroffen sein müssen.


Weiters ist es wichtig, dass nicht alle Sinneswahrnehmungen gleichzeitig, sondern ein Teilbereich nach dem anderen trainiert und verbessert wird. Die Schwierigkeitsstufe der Übungen muss individuell nach dem jeweiligen Stand des Kindes gewählt werden. Das Kind soll nicht über-, aber auch nicht unterfordert werden und soll genügend Erfolgserlebnisse haben, damit es die Freude am Training nicht verliert. Jede sinnvolle Übung zur Verbesserung der Sinneswahrnehmungen kann im Rahmen des Funktionstrainings verwendet werden!

S steht für Symptom

Das Symptomtraining ist das Arbeiten an den Fehlern. Auch legasthene/dyskalkule Kinder erlernen das Schreiben, Lesen und Rechnen durch das Üben. Wichtig ist nur, dass das Erlernen und Vertiefen langsam und stetig passieren und mit der Steigerung der Aufmerksamkeit und der Schärfung der Sinneswahrnehmungen einhergehen. Das Lernen muss mit allen Sinnen erfolgen. Das legasthene/dyskalkule Kind begreift am besten durch das Angreifen. Man sollte daher dem Kind ermöglichen, sich Buchstaben und Wortbilder auch dreidimensional zu merken. Viele Wörter werden zwar auf herkömmliche Art und Weise gespeichert, indem die Kinder von der Tafel abschreiben oder vom Schul- ins Hausübungsheft übertragen. Doch meistens sind es die einfachen, sogenannten leichten Wörter, die sie absolut nicht behalten können. Hier kann eine dauerhafte Abspeicherung nur durch genaue Worterarbeitung gewährleistet werden. Eine persönliche Fehlerwörterliste des Kindes ist zu erstellen, diese ist dann kontinuierlich abzuarbeiten.


Solche Wörter werden in drei Stufen erarbeitet:


WORTBILD – WORTKLANG – WORTBEDEUTUNG


In das Symptomtraining fallen auch eine besondere Lesemethode sowie eine besondere Methode des Rechnenerlernens. Besonders wichtig ist, dass das Kind genügend Zeit für das Erlernen des Schreibens, Lesens und Rechnens bekommt. Besonders viel Lob, schon für kleine Lernfortschritte, ist die beste Motivation.

Die Begleitsymptome

Man beobachtet bei legasthenen/dyskalkulen Kindern eine zeitweise Unaufmerksamkeit, hervorgerufen durch differente Sinneswahrnehmungen, und auch gegebenenfalls eine Unruhe, hervorgerufen durch nicht auf die Bedürfnisse der Kinder abgestimmte Lernmethoden, beim Schreiben, Lesen und/oder Rechnen, die lediglich als Begleitsymptome und nicht als Krankheitsbilder gesehen werden dürfen. Andererseits gibt es Kinder, welche Konzentrationsstörungen – alle Tätigkeiten, auch das Schreiben, Lesen und Rechnen, können nur kurz und oberflächlich durchgeführt werden – und eine Hyperaktivität – vom unsteten Verhalten des Kindes ist der gesamte Tagesablauf geprägt – als echte Krankheitsbilder aufweisen. Sowohl die Begleitsymptome der Legasthenie/Dyskalkulie als auch die Krankheitsbilder gleichen sich aber leider, deshalb ist es für den Laien schwer zu erkennen, ob es sich nun um ein legasthenes/dyskalkules oder tatsächlich krankes Kind handelt. Erschwerend kommt noch hinzu, dass diese Kinder auch noch zusätzlich zur Legasthenie/Dyskalkulie diese Krankheitsbilder aufweisen können, wenn die Anzahl derer auch sehr gering ist. Eine Feststellung ist durch Beobachtung möglich. Wenn das Kind sich mit Tätigkeiten, die nichts mit Schreiben, Lesen und Rechnen zu tun haben, sehr intensiv und ausdauernd befassen kann und die Unruhe erst mit Schuleintritt oder später begonnen hat, so kann man davon ausgehen, dass es sich lediglich um Begleitsymptome handelt.

Fernstudium zum diplomierten Legasthenietrainer

Soziale Medien